Abschlussdokument der Mainzer Fantage

Mainzer Fantage – Eine Woche im Zeichen der Fankultur

Abschlussdokument

Die ersten Mainzer Fantage waren für uns alle ein unvergessliches Erlebnis, wir als Veranstalter sind stolz auf das Geleistete. Abschließend bewerten wir die Veranstaltungsreihe als einen überwältigenden Erfolg und ein beeindruckendes Bekenntnis zum Dialog.
Als wir vor fünf Monaten mit den Planungen starteten, konnte keiner ahnen, welche Arbeit dieses Projekt mit sich bringen würde. Unzählige Planungstreffen mit Mainz 05 und den anderen Gruppen, über 1.000 Arbeitsstunden für den selbst produzierten Film und zig andere Aufgaben mussten koordiniert und erledigt werden. Für mehrere Personen stand über einen längeren Zeitraum das Privatleben fast still, da sie neben anderen Verpflichtungen wie Arbeit, Studium oder Schule fast rund um die Uhr in die Organisation der Fantage involviert waren. Umso mehr erfüllt es uns mit Stolz, dass die Mainzer Fantage von uns Fans komplett selbst durchgeführt und finanziert wurden.
Es ist uns gelungen hochkarätige Gäste für die Veranstaltungen zu gewinnen und durchweg eine konstruktive und sachliche Diskussionsatmosphäre zu schaffen. Unsere Ziele, ein größeres Verständnis füreinander zu entwickeln und Fankultur in einem positiven, aber auch selbstkritischen Kontext darzustellen, haben wir erreicht. Etwa 1.700 Besucher an fünf Veranstaltungstagen machen die Mainzer Fantage sogar zu einer der größten fanpolitischen Veranstaltungen, die jemals stattgefunden haben.
Martin Endemann, BAFF- und FSE-Sprecher und Podiumsgast bei den Fantagen fand lobende Worte: „Eure Veranstaltung ist vorbildlich und auch deutschland- und europaweit Thema“.
Auch Erich Hieronimus, Leiter Unternehmenskommunikation bei Coface, stimmte in dieses positive Feedback ein: „Man kann den Initiatoren der Fantage nur gratulieren.“ Andrej Reisin, Podiumsteilnehmer am Samstag, bloggte im Nachgang auf Publikative.org: „Die aktive Fanszene in Mainz hat bewiesen, dass sie in der Lage ist, einen großen Kongress über mehrere Tage nahezu perfekt zu organisieren. Jedes andere soziale Projekt, das in der Lage wäre, eine derartige Anzahl vornehmlich junger bis sehr junger Menschen kontinuierlich zu einem derartigen Organisationsgrad und einer derartigen Leistung zu bringen, könnte sich in die Bewerberschlange ums Bundesverdienstkreuz einreihen.“
Die positive Resonanz auf unsere Arbeit zeigt, dass unser Weg der Öffnung zum Dialog, auch gegenüber den Medien, der richtige Ansatz ist. Umso mehr bedauern wir die Weigerungshaltung, die der DFB gegenüber unserem Dialogangebot eingenommen hat. Positiv hervorzuheben ist hingegen das Engagement des 1. FSV Mainz 05, der uns nicht nur seine Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hat, sondern uns auch vorbildlich auf allen anderen Ebenen zur Seite stand. Hier hat man erkannt, wie wichtig die Kommunikation zwischen Fans und Offiziellen ist und ein positives Miteinander für alle Seiten große Vorteile mit sich bringt.

Im Folgenden möchten wir nun kurz auf die einzelnen Veranstaltungen eingehen:

„Rollt der Fußball nur noch, damit der Rubel rollen kann?“

Zum Auftakt der Mainzer Fantage ging es um das Thema Kommerzialisierung und ihre Auswirkungen auf Vereine und Fankultur. Im großen VIP-Raum des Stadions am Europakreisel waren 250 Besucher zu Gast, um die Podiumsdiskussion, moderiert von Sportreporter Martin Quast, zu verfolgen.
Zunächst gab es eine Einführung am Beispiel Austria Salzburg, die von einem Energy-Drink-Hersteller übernommen und bei der quasi über Nacht sämtliche traditionellen Merkmale wie Logo, Name und Trikotfarben gegen Sponsorenvorgaben ausgetauscht wurden. Das ehemalige Vorstandsmitglied der neu gegründeten Salzburger Austria, Volker Rechberger, erzählte über die Entwicklung bis hin zur Neugründung durch die Fans und seine damit verbundenen Empfindungen, seinen Verein zu verlieren.
Dag Heydecker, Geschäftsführer bei Mainz 05 u.a. für Marketing und Vertrieb, erteilte einem derartigen Vorgehen beim FSV eine klare Absage: „Mainz 05 lässt sich von einem Sponsor nichts oktroyieren.“ Auch aus unternehmerischer Sicht lehnte Erich Hieronimus von Coface solche Eingriffe vehement ab. Daniel Lörcher von der Dortmunder Ultragruppe „The Unity“ stellte klar: „Wichtig ist es, dass ich als Fan die Möglichkeit habe, Sponsoring auch abzulehnen.“
Im Anschluss wurde auch die 50+1-Regel in der Runde thematisiert, Heydecker kritisierte in diesem Zusammenhang die Werksvereine wie Wolfsburg und Leverkusen, aber auch die TSG Hoffenheim: „In Hoffenheim wird die 50+1-Regel klar umgangen.“ Auch Christian Alfs, Doktorrand an der Uni Mainz, bemängelte Schlupflöcher in den DFB-Statuten: „Alleine die Logo- Gebung von RB Leipzig müsste regelwidrig sein.“
Nächstes Thema waren die Namensrechte an den Stadien, mittels eines kleinen Einspielfilms wurde aufgezeigt, wie wenig Bestand Sponsorennamen haben. Kaum einer weiß nach mehreren Namenswechseln heutzutage noch wie die Stadien in Hamburg oder Freiburg aktuell heißen.
Viel Wert wurde in der gesamten Diskussion darauf gelegt, dass Sponsoring nachhaltig sein muss und sich am Verein orientieren sollte. Der gemeinsame Nenner zwischen einem Sponsoring, das die Konkurrenzfähigkeit wahrt, aber auch die Vereinsidentität erhält, muss gefunden werden. Der Fußball läuft sonst in Gefahr ausverkauft zu werden und seine Emotionalität zu verlieren.
Volker Rechberger richtete seinen Appell an Gäste und Podiumsteilnehmer: „Ihr habt in Deutschland wahrscheinlich die beste Liga mit der besten Stimmung und den besten Fans. Das muss erhalten werden!“

„Kurvenschau – Ein Blick hinter die Kulissen!“

Im Laufe des Samstags boten wir ein umfangreiches Programm aus Workshops, Infomeile und Rahmenprogramm im Stadion am Bruchweg an. Bei herrlichem Sonnenschein nahmen rund 300 Besucher das Angebot an und konnten sich an den zahlreichen Stellwänden über die Aktivitäten und Standpunkte der Faninitiativen und Fanclubs informieren, einen Parcours beim 05er KidsClub absolvieren oder im Workshop lernen, wie man selbst eine Fahne malt. Auch für das leibliche Wohl war bestens gesorgt und mit etwas Glück konnte man bei der Tombola auch noch einen Gewinn abstauben. Am Nachmittag folgten dann noch zwei Workshops. Zum Thema Fanarbeit stellten sich Supporters, Fanprojekt und Fanbeauftragter den Wünschen und Anregungen von Fanseite an ihrer Arbeit. Im mit über 40 Teilnehmern gut besuchten Workshop über Repression erklärte der Mainzer Anwalt Georg Schumacher den Fans, welche Rechte und Pflichten sie im Umgang mit der Polizei haben.
Auch die Profis von Mainz 05, ebenso wie Fantage-Schirmherr Marco Rose, besuchten die Kurvenschau und unterhielten sich angeregt mit den gekommenen Fans.

„Sogenannte Fans verbreiten Angst und Schrecken!? – Fußballfans in der öffentlichen Wahrnehmung“

Den Kernpunkt der Fantage bildete sicherlich die Veranstaltung am Samstagabend, bei der auch die momentan in den Medien geführte Sicherheitsdebatte auf den Tisch kam. Etwa 350 Besucher und viele Vertreter der Medien waren gekommen, um der spannenden Diskussion, moderiert von Michael Gabriel, dem Leiter der Koordinationsstelle der Fanprojekte, zuzuhören.
Für Kontroverse sorgte gleich zu Beginn die Forderung von SWR-Sportmoderator Achim Scheu: „Ultras sollen sich einen Pressesprecher zulegen, um schneller reagieren zu können.“
Andrej Reisin, freier Journalist und Blogger, kritisierte die oftmals überdramatisierte Berichterstattung mancher Journalisten: „Das ist sehr schade und nicht professionell.“
Mit Spannung erwartet wurde die Diskussion zum Thema Pyrotechnik, Michael Grüber von der Handkäsmafia fragte: „Warum muss ich als Fan erklären, warum Pyro so faszinierend ist, wenn ich es von der Gesellschaft selbst so vorgelebt bekomme?” und kritisierte die öffentliche Kommunikation der Verbände in dieser Frage. Fanforscher Jonas Gabler konstatierte: „Derzeit hat sich die Geschichte zu einem Machtspielchen ausgeweitet! Leider leiden am Schluss alle Fußballfans darunter!” Kritisiert wurde, dass durch den nicht vorhandenen Dialog vor allem radikale Kräfte gestärkt werden und eine Selbstregulierung der Ultras auch gewisse Freiräume voraussetzt.
Anschließend wurde auch die im Raum stehende Drohung zur Abschaffung der Stehplätze debattiert, Thomas Schneider zeigte sich machtlos gegenüber der Politik: „Botschaft aus der Politik ist nicht nur Säbelrasseln, sondern ziemlich ernst!” Reisin und Gabler forderten hier nachhaltig eine Versachlichung der gesamten Debatte.
Zum Abschluss richteten sich die Appelle der Podiumsteilnehmer noch mal an Fans und Verbände, beide müssen an sich arbeiten und stärker aufeinander zugehen. Andrej Reisin brachte es auf den Punkt: „Der Krieg ist für die Fanszenen nicht zu gewinnen! Lasst es nicht zu diesem kommen!”
Moderator Michael Gabriel mahnte abschließend noch einmal alle Beteiligten zur Dialogbereitschaft, auch auf lokaler Ebene: „Der gelebte Dialog vor Ort in den Vereinen ist sehr wichtig! Nur darüber kann es zum Erfolg kommen!”

Fußball ist Volkssport – Pardon „war“!

Um die Problematik steigender Eintrittspreise ging es am Montagabend, diesmal vor rund 150 Besuchern im Haus der Jugend.
Steigende Eintrittspreise haben mittlerweile dazu geführt, dass von Fanseite die Initiative „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein“ ins Leben gerufen wurde. An dieser Initiative beteiligen sich mittlerweile zahlreiche Fan- und Ultragruppen deutschlandweit. Auch in Mainz wurde eine offene Arbeitsgruppe zu diesem Thema gegründet, Benedikt Momper und Simon Ahr aus der AG übernahmen die Moderation des Abends.
Marc Quambusch, Vertreter der Initiative aus Dortmund, und Christian Viering (Handkäsmafia und Stadtratsmitglied der Grünen) aus Mainz berichteten zunächst über Strukturen und die bisherigen Aktionen der Kampagne.
Darauf entwickelte sich eine Debatte zwischen Viering und dem sportpolitischen Sprecher der CDU Rheinland-Pfalz, Guido Ernst, um die Verantwortung der Politik bei einer sozialen Preisgestaltung. Viering forderte: „Bevor Plätze leer sind, sollte man diese an sozial Benachteiligte für günstige Preise geben!” Ernst belässt die Aufgabe bei den Vereinen: „Die Aufgabe liegt in der Hand der Vereine. Diese sind freie Wirtschaftsunternehmen.”
Martin Endemann von FSE kommentierte süffisant: „Nach den letzten Aussagen von Innenminister Friedrich würde ich mir manchmal wünschen, die Politiker würden sich gar nicht in den Fußball einmischen.“ Für ihn und Marc Quambusch sind vor allem die Vereine in der Pflicht.
Anhand eines Einspielfilms wird das Beispiel England ins Feld gebracht, dort herrscht seit der Abschaffung der Stehplätze kaum noch Stimmung und das durchschnittliche Alter der Stadionbesucher liegt bei 48 Jahren. Endemann erklärt diese Entwicklung: „Die Preisspirale hat sich von 4 Pfund auf 45 Pfund für die billigsten Plätze hochgeschraubt.“ Bei der Rückfrage ins Publikum, wer für fast 60 Euro noch zum Fußball gehen würde, hebt kein Einziger im Saal die Hand.
Bei der Diskussion um die Abschaffung der Stehplätze herrscht schnell Einigkeit, dass diese Maßnahme unter allen Umständen verhindert werden muss.
Quambusch hebt in seinem Abschlussplädoyer noch einmal hervor, wie wichtig die Arbeit der „Kein Zwanni“-Initiative ist: „Für mich ist der Kampf um die Preise der alles entscheidende Kampf, noch vor Pyro und anderen!” Zur Freude der Fans will auch Guido Ernst sich intensiver mit Fankultur auseinandersetzen: „Ich werde mir die Arbeit der Fanprojekte im Stadion anschauen und für Verständnis in der Fraktion werben.”

„Doppelrad der Zeit“

Schon zwei Wochen vor der Veranstaltung waren die Karten für die vom Fotografenkollektiv „Rheinhessen on Tour“ selbst angefertigte 140-minütige Dokumentation über die Mainzer Fanszene restlos ausverkauft. Erst Minuten vor Filmbeginn war das Machwerk endgültig fertig, absolute Maßarbeit und zusätzlicher Adrenalinfaktor bei allen Beteiligten also.
320 Zuschauer bekamen tiefe Einblicke in die Szene, durchweg authentisch in einem Mix aus Interviews, Bildern und Musik präsentiert. Zu Wort kommen dabei Protagonisten aus Vergangenheit und Gegenwart der USM, anderer Gruppen wie Handkäsmafia, Meenzer Metzger, Gensfleisch Connection, Fanatics oder auch das Mainzer Fanprojekt.
Während im ersten Teil vor allem die Geschichte und Struktur der Szene vorgestellt wurden, wurden im zweiten Teil auch kontroverse Aspekte der Ultrakultur beleuchtet. Die Gewaltfrage, Graffitikultur und die Sektion Stadionverbot wurden erfrischend ehrlich und offen thematisiert. Es ist gelungen, die Ultrakultur in ihrer Vielfalt zu präsentieren und das trotz fast epischer Länge durchgängig unterhaltsam und nie langweilig, ein faszinierendes und beeindruckendes Machwerk!

„Lasst uns singen und zwar laut, ein Lied für unsern FSV“

Zum Abschluss der Fantage sollte der Blick noch einmal spezifisch nach Mainz gerichtet werden, die Stimmung im Stadion am Europakreisel ist oft genug Thema zahlreicher Diskussionen. Erfreulicherweise waren wieder 300 Besucher dem Ruf der Fantage gefolgt und nahmen an einer sehr interaktiven Diskussionsrunde, moderiert von 05-Stadionsprecher Klaus Hafner, teil. Viele Meldungen trugen zu einer lebendigen Diskussion teil, so wurde z. B. der Wunsch geäußert, dass die Spieler auch mal durch Anfeuerung die Fans mitnehmen. 05-Verteidiger Niko Bungert nahm die Anregung mit einem Schmunzeln an: “Dann mach ich das beim nächsten Heimspiel.”
Auch an die Ultras richtete sich viel Feedback, so merkte Tortour Redaktionsmitglied Michi Herzog an, „…dass die Bindung zum Spiel stellenweise fehlt und der Support mittlerweile weniger spielbezogen ist.” Auch aus dem Publikum wurde angemerkt, dass die Ultras oft als sehr geschlossener Block wirken würden und man als Außenstehender da seine Berührungsängste hätte. Damit hatten die Fantage ihr Ziel schlussendlich erreicht, eine Atmosphäre in der man in einem konstruktiven Rahmen seine ruhig auch kritische Meinung äußern konnte. USM-Vorsänger Vincent stellte klar: „Natürlich ist das ein “WIR”, aber es soll ja wachsen!” und führte an, dass jeder in diesem Supportbereich willkommen sei.
Auch Markus Delnef, Fanprojektvorsitzender und Meenzelmänner-Mitglied erzählte aus eigener Erfahrung: „Ich kann das nachvollziehen. Vor Jahren hätte ich das auch noch so gesehen. Aber durch persönlichen Kontakt habe ich gemerkt, dass die Jungs und Mädels sehr offen und umgänglich sind.”
Insgesamt ein wirklich rundum gelungener Abend, an dem auch noch unterschiedliche Themen wie Pyrotechnik oder die Sichtbehinderung durch Fahnen zur Sprache kamen. Besonders erfreulich war die hohe Beteiligung auch aus Reihen von “Normalofans” und jeder der Anwesenden konnte für sich ein paar neue Erkenntnisse aus der Veranstaltung mitnehmen. Ein toller Abschluss der Mainzer Fantage!

Fazit:
Die Mainzer Fantage haben für unsere Fanszene neue Maßstäbe in der fanpolitischen Arbeit gesetzt. Diesen Weg gilt es nun kontinuierlich und mit Nachhaltigkeit weiter zu gehen.
Zum Abschluss bleibt uns noch der Dank an alle die mitgeholfen haben dieses einzigartige Projekt auf die Beine zu stellen.
Der Dank gebührt Mainz 05, die uns grandios unterstützt haben, unseren Schirmherren Marco Rose und Michael Ebling, den Podiumsteilnehmern aus der gesamten Republik, den Medien die über unsere Veranstaltungsreihe berichtet haben, dem zahlreich erschienenen Publikum, den unterstützenden Fanclubs und Initiativen und einfach allen, die auf ihre Art und Weise zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben. Vor allem auch denjenigen, die tagtäglich jede freie Minute in die Organisation investiert haben, um Technik, Logistik, Kommunikation mit dem Verein und den Fanclubs, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und viele weitere große und kleine Probleme zu lösen.
Vielen, vielen Dank, ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen!

Die Veranstalter der Mainzer Fantage

Gensfleisch Connection
Handkäsmafia Mainz
Meenzer Metzger
Ultraszene Mainz

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